Gemeinderat will großflächig weitere Flächen in Baugebiete umwandeln. Trotz der Bedenken der Sachverständigen.
BAURAUSCH – GEMEINDERAT ZERSTÖRT UNSERE HEIDEDORF-IDYLLE
Der Rat verliert jedes Augenmaß
Trotz leerer Gemeindekassen fabulieren die Ratsmitglieder weiter über ein ungehemmtes Wachstum der Gemeinde. Trotz der verlustreichen Grundstücksspekulation „Clement-Grundstück“, der voraussichtlichen Pleite rund um das ehemalige Festhallengelände (Stichworte „Famila“ und „Schützenhalle“) und den nicht gelösten Problemen im Wohngebiet „Itzenbütteler Kirchfeld“, machen die Ratsmitglieder nun ein weiteres Fass auf: großflächige Neubaugebiete für bezahlbaren Wohnraum.
Nicht 5 oder 6 Wohnungen wie in anderen Gemeinden, sondern ganze Wohngebiete sollen neu entstehen. Verkehrs- und Umweltbelastungen sind für den Rat dabei genauso zweitrangig wie die Erstellung eines Gesamtkonzeptes – städtebaulich und finanziell.
Die Bedenken der Fachberater im Bauausschuss wurden einfach beiseite gewischt. Einmal noch die große Linie vorgeben und festzurren, scheint die Divise des scheidenden Gemeinderates zu sein.
Wie und wo soll Jesteburg wachsen? Die Lösung der Ratsmitglieder lautet wie so oft in der Vergangenheit: Dort wo Grundstückseigentümer sowieso gerne verkaufen möchten. Hier scheint sich Jesteburgs Süden mehr und mehr zum Eldorado für Investoren zu entwickeln.
Wenn nirgends mehr was geht, im Süden geht noch immer etwas mehr:
Verbrauchermarkt, Schützenhalle, Oberschule, Feuerwehr und Neubaugebiete noch und nöcher. Hier wird nicht gekleckert, hier droht das Neu-Jesteburg zu wachsen – ohne jeden Bezug zum traditionellen Heidedorf. Wer aus Asendorf in den Ort fährt wird sich bald wie in Klein-Buchholz fühlen – entgegen aller öffentlichen Beteuerungen der Gemeinderäte.
Der neueste Wurf ist der Wunsch, weitere Neubaugebiete auszuweisen. Schwerpunktmäßig auf bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen am Schierhorner Weg und ein bisschen am Seevekamp. Weitere Gebiete (z.B. Reitvereingelände, „altes“ Feuerwehrhaus und der aktuelle Standort des Bauhofes) sind heiß begehrt und werden bereits hoch gehandelt. Die einen wollen hier die Schule weiter ausbauen, andere ein weiteres großes Wohngebiet schaffen.
Doch zurück zum aktuellen Wohnungsbauprojekt:
Es drängt sich die Frage nach dem „Warum hier?“ auf. Nicht eine Konzeptidee war die Mutter dieses Planes, nein, es bot sich einfach an. Eine Erbengemeinschaft hatte einen Bauantrag gestellt. Als Einzelmaßnahme wäre den Jesteburgern das Bauprojekt schwer zu vermitteln gewesen. Die Ratsmit-glieder sahen ihre Chance, die Investoren hilfreich zu unterstützen und beschlossen in einer nicht öffentlichen Sitzung des Verwaltungsausschusses, mal wieder völlig konzeptbefreit in die Vollen zu gehen – Frei nach dem Motto „Wenn schon Stadtentwickler spielen, dann richtig“.
Ein Mäntelchen musste noch her: „Preiswerten Wohnraum schaffen – auf mindestens 30% der Gesamtfläche“ – klingt doch gleich viel besser. Die Ratsmitglieder machen sich Sorgen um Geringver-diener und verarmte Senioren, die in Jesteburg sonst keine Chance mehr haben.
Auf Bundes-, Landes- und Landkreisebene setzen ja auch mehr und mehr Politiker auf Sozialver-träglichkeit – ein Herz für Alleinerziehende und Rentner. So nun auch unser Gemeindedirektor Herr Höper und die Ratsmitglieder. In teilweise abenteuerlicher Weise werden „Fakten“ in den Raum gestellt, die kaum einer sachlichen Überprüfung standhalten.
Hier eine kleine Auswahl aus der letzten Gemeinderatssitzung:
„In Augsburg sind Bauland und Wohnraum sehr teuer, Jesteburg muss hier gegensteuern“, „Jesteburg muss weiter wachsen, damit die Oberschule ausgelastet wird“, „Der Baustil in Jesteburg muss dichter und höher werden, weil Dachschrägen für Investoren weniger rentabel sind“, „Viele Bürger ziehen weg, weil Jesteburg unbezahlbar ist“ oder noch viel besser: „Ortsansässige Unternehmer finden keinen Wohnraum für ihre Mitarbeiter“.
Weder werden belastbare Fakten vorgestellt, noch will man sich inhaltlich der Diskussion stellen.
Übrigens, „Soziales Wohnen“ als Argument ist auch in Jesteburg ein alter Hut. Bereits mehrfach in diesem und im vergangenen Jahr haben die Ratsmitglieder dieses Argument genutzt. Deshalb entstehen am Pfarrweg und demnächst auch am Zirkusplatz/Kreisel „Sozialwohnungen“.
Jetzt wird versucht, das Investorenprojekt einer Erbengemeinschaft sozialverträglich darzustellen. Das ist abenteuerlich. Alle vollmundig und geradezu staatstragend vorgebrachten „Argumente“ blieben substanzlos. Der Gemeinderat fabuliert in kaum erträglicher Weise über sozialen Wohnungsbau, ohne dass ein Konzeptentwurf für Jesteburg vorliegt.
Die sich neu gebildete Bürgerinitiative „Für den Erhalt des Jesteburger Dorfcharakters“ überreichte den Ratsmitgliedern eine Unterschriftenliste und ihr Positionspapier. Bereits erste, konkrete Nachfragen durch ihren Vertreter Frank Gerdes verdeutlichten in der letzten Gemeinderatssitzung, dass sich die Positionen unter den Parteien im „Detail“ erheblich unterscheiden:
Während sich die SPD überwiegend größere Wohnblöcke vorstellen kann, bevorzugt die CDU eine angepasste Einfamilienhausbebauung. Einige Ratsmitglieder sehen in den neuen Flächen bereits Jesteburgs Eintrittsobulus als Teilhaber in einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft.
Für den Gemeinderat ist die Marschrichtung klar: Erst einmal Bauland generieren, dieses – nachdem es Bauland geworden ist – hochpreisig von den Grundbesitzern erwerben und dann kann man ja immer noch sehen, wie es weitergehen soll.
In der Tatsache, dass man die Flächen auch bezahlen können müsste, scheinen die Ratsmitglieder kein Problem zu sehen. Verständlich, der jetzige Gemeinderat zeichnet sich ja besonders dadurch aus, Großprojekte mit weiteren Schulden zu finanzieren.
Ach so, das Thema Umwelt und Verkehr wurde bei den „Planungen“ ausgeklammert oder besser erinnern wir uns auch hier an die von den Ratsmitgliedern vorgetragenen „Fakten“ auf Nachfragen der Bürgerinitiative:
„Der Schierhorner Weg verkraftet noch viel mehr Verkehr“, „Wenn es sich in Richtung Hauptstraße staut, fahren Sie doch über Bossard/Lüllau“, „Ich bin bereits Rentner, wohne auch in diesem Gebiet und fahre zu den Stoßzeiten nicht über den Schierhorner Weg. Aber auch meine Frau hat mir noch nicht von einem Verkehrsstau berichtet“.
Mit gesundem Menschenverstand ist die Vorgehensweise kaum nachzuvollziehen: keine Fakten, keine Konzepte, kein Geld auf der Bank, aber die feste Überzeugung, bei den Jesteburgern mit dieser Politik auf breite Zustimmung zu stoßen.
Mit diesem „Politikstil“ verrät der Gemeinderat erneut seine Verpflichtung gegenüber dem Allgemeinwohl. Er handelt konzeptlos, intransparent und finanziell abenteuerlich.
Viele Alteingesessene meinen, dass Jesteburger Politik schon immer so funktioniert – deshalb sind viele Bürgerinnen und Bürger überzeugt, dass wir frischen Wind und Sachkompetenz in den Rat bringen werden.
Unser Standpunkt
Was staatlich verordnet für Mittelzentren wie Buchholz und Harburg verbindlich ist, gilt nicht für ein Grundversorgungszentrum wie unser Heidedorf. Auch wenn viele Ratsmitglieder das nicht wahrhaben wollen und immer wieder völlig überdimensionierte Projekte befeuern, wir sind ein Dorf und keine Metropole – nicht einmal eine immer wieder propagierte Kunstmetropole.
Damit wir uns richtig verstehen: Preiswerter Wohnraum und Bauland für junge Familien sind ein wichtiger Beitrag für ein vielfältiges Wachstum in unserer Gemeinde. Hier sind Herz und Verstand gefordert. Ein Vorpreschen ohne Konzept ist nicht zielführend.
Ein Lückenschluss in bestehenden Baugebieten (z.B. Fläche 2) entspricht auch unseren Vorstellungen von einer behutsamen Innenverdichtung. Dabei passen sich neue Bauvorhaben der vorherrschenden Bauarchitektur an und schaffen zusätzlichen Wohnraum.
Die Umwandlung von Flächen, die den dörflichen Charakter unserer Gemeinde prägen (z.B. Fläche 1), sehen wir dagegen kritisch. Die Auslegung der Begrifflichkeit „Innenverdichtung“ durch den Gemeinderat halten wir für unredlich. Es wird suggeriert, dass in der Dorfmitte neuer Wohnraum geschaffen wird, doch der Verwaltungsausschuss hat hierfür als Radius alle Gebiete in einem Umkreis von 2 Kilometer um den Niedersachsenplatz festgelegt – das entspricht fast dem kompletten Jesteburger Gemeindegebiet!
Hintergrund:
In der Gemeinderatssitzung am 20.04.2016 entschieden sich die Ratsmitglieder dafür, neue Baugebiete auszuweisen.
Im nächsten Schritt wird der Samtgemeinderat (voraussichtlich am 23.06.2016) entscheiden, ob er den Vorstellungen unseres Gemeinderates folgen will.
Es standen 4 potentielle Flächen zur Diskussion. Schlussendlich entschied man sich einstimmig dafür, die folgenden Flächen als „soziale“ Bauflächen weiterzuverfolgen und dort die „Innenverdichtung“ zu forcieren:
Fläche 1: Größe: ca. 43.200 qm
– Lage: Schierhorner Weg Richtung Bossard – Ortsausgang, rechterhand
– Nutzung: Ackerland
Die Fläche wird an drei Seiten von Wohnbebauung begrenzt. Unterbrochen durch den Schierhorner Weg ergibt sie mit der Fläche 4 eine Landschaft prägende Freifläche.
Relativ „einfach“ könnte hier neues Baugebiet entstehen und die bebauten Flächen „Waldwinkel“ und „Seevekamp“ ergänzen. Der südliche, längliche Streifen der Fläche soll mit 2 Häuserzeilen und einer mittigen Straße erschlossen werden.
Der Gemeinderat will die Fläche in Bauland umwandeln lassen und kaufen. Langfristig soll die Fläche in eine noch zu gründende Wohnungsbaugesellschaft des Landkreises eingebracht werden.
Nächste Schritte:
=> die Gemeinde wird mit den Grundeigentümern über einen Ankauf verhandeln.
=> die Gemeinde wird bei der Samtgemeinde eine Änderung der Flächennutzung beantragen (die finale Entscheidung trifft der Landkreis).
Fläche 2: Größe: ca. 14.500 qm
– Lage: Seevekamp Richtung Wiedenhof – Linkerhand Höhe Meyer´s Weg
– Nutzung: Wiese (Bauland)
Diese Fläche ist bereits ausgewiesenes Bauland. Bisher wollten die Grundbesitzer jedoch nicht bauen. Diese „Brachfläche“ liegt mitten in einem voll entwickelten Wohngebiet und wird derzeit als Wiese genutzt. Teilweise lagert Landwirt und Bauunternehmer Hans-Robert Schmidt hier Gartenbaumaterialien.
Der Gemeinderat will hier „Wohnbauflächen für den sozialen Wohnungsbau sowie bezahlbaren Wohnraum“ schaffen.
Nächste Schritte:
=> Die weitere Vorgehensweise wurde nicht protokolliert. Grundsätzlich gibt es keinen Handlungsbedarf für die Gemeinde. Die Grundstücksbesitzer müssten lediglich einen Bauantrag stellen. Es wird aber gemunkelt, dass derzeit wenig Interesse unter den Eigentümern besteht, hier Wohnraum zu schaffen…
Der guten Ordnung halber hier die Lagepläne der abgelehnten Flächen für sozial geförderten und/oder sozial bezahlbarem Wohnraum. Es wude übrigens nicht ausgeschlossen, dass hier eine andere Art von Wohnraum/Bauland entstehe könne…
Für die Fläche 3 (unterhalb der Tagungsstätte „Deutscher Ring“) liegen weitere Bauanträge bereits vor. Das Thema war wohl zu heiß – es sind Waldflächen betroffen und dann so kurz vor der Wahl….