Zum Inhalt springen

Bezahlbarer Wohnraum

BETEILIGUNG AN EINER WOHNUNGSGESELLSCHAFT

– Fluch oder Segen für Jesteburg?

Der noch amtierende Gemeinderat Jesteburg hat am 21.09.2016 in seiner letzten Sitzung der laufenden Legislaturperiode beschlossen, sich an der Wohnungsbaugesellschaft zu beteiligen.

Warum diese Entscheidung jetzt getroffen werden musste, ist für viele Bürgerinnen und Bürger nicht nachvollziehbar. Laut Vertragsentwurf haben die Gemeinden bis zum 15. April 2017 Zeit, ihren Beitritt zu erklären. Bürgermeister Heitmann sprach davon, dass Jesteburg mit einer Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt ein „wünschenswertes Signal“ für andere Gemeinden im Landkreis abgeben würde.

Die große Mehrheit im Gemeinderat folgte den Überlegungen, statt 10 Sozialwohnungen am Pfarrweg, mit dem Beitritt zur Wohnungsbaugesellschaft eine Option für zirka 45 sozial bezahlbare Wohnungen zu erwerben.

Für diese Option soll die Gemeinde 1.170.000 Euro in den nächsten Haushalt einstellen. Es wurde betont, dass alternativ auch Bauland als Kapitaleinlage verwendet werden könne.

Gemeindedirektor Höper wies darauf hin, dass die Gemeinde ihr Projekt „Sozialwohnungen am Pfarrweg“ gestoppt habe, da die Baukosten erheblich höher ausfallen würden als ursprünglich angenommen. Somit ständen im Haushalt nun genügend Mittel bereit, die für das Projekt „Wohnungsbaugesellschaft“ genutzt werden könnten. Das war zumindest für die anwesenden Bürgerinnen und Bürger neu.

  • Wie konnten die Kosten für das Pfarrwegprojekt plötzlich so aus den Fugen geraten?
  • Wie stark weichen die mit den Ausschreibungen ermittelten Kosten von den Vorabkalkulationen ab?
  • Wer übernimmt die bisher aufgelaufenen Planungskosten und was geschieht nun mit dem Pfarrweg-Grundstück?

Leider gab es dazu keine weiteren Erläuterungen.

Auch auf die Frage, wie viele Kommunen bisher ihre Bereitschaft zum Beitritt erklärt hätten, konnte in der Sitzung leider niemand eine verbindliche Antwort geben.

Hintergrundinformationen:

Der Landkreis Harburg verzeichnet einen ungebrochenen Zuzug an Neubürgern. Als „Speckgürtel“ im Süden Hamburgs bietet der Landkreis Stadtnähe und ein ländliches Umfeld. Private Investitionen im Wohnungsmarkt scheinen nicht auszureichen, um genügend Wohnraum zu schaffen, der „wirtschaftlich vertretbaren und sozial verantwortbaren Bedingungen“ genügt, wie es der Kreistag formuliert.

Der Kreistag sieht die „öffentliche Hand“ in der Pflicht, durch eigene Maßnahmen den Wohnungsmarkt zu „entspannen“ und durch ein zusätzliches Wohnungsangebot (Mehrfamilien- und Geschosswohnungsbauten) für breite Bevölkerungsschichten „bezahlbaren Wohnraum“ zu schaffen.

Wenn Sie die folgenden „Bilder“ anklicken, öffnen sie sich in einem weiteren Fenster und Sie erhalten zusätzliche Informationen über die geplante Wohnungsbaugesellschaft.

Es soll daher eine „Landkreis Harburg“ Wohnungsbaugesellschaft entstehen, die diese Aufgabe übernimmt. Hauptanteilseigner dieser Gesellschaft sollen die Kommunen sein. Der Landkreis und die Sparkasse Buxtehude sollen die größten Anteile an der Gesellschaft halten.

Insgesamt soll diese städtische Wohnungsbaugesellschaft über ein Kapital von 45 Millionen Euro verfügen und in den kommenden Jahren zirka 1.000 neue Wohnungen im Landkreis bauen. Die Realisierung dieses Wohnraumes hängt von dem zur Verfügung stehenden Bauland ab.

Ein Beitritt zu dieser Gesellschaft soll bis zum 15.04.2017 erfolgen und bindet die jeweilige Gemeinde mindestens bis zum 31.12.2037 als Gesellschafter. Die zu leistenden Kapitaleinzahlungen richten sich nach der Größe der Kommune. Für Jesteburg wären es 1,170 Millionen Euro.

Derzeit wird in den einzelnen Kommunen über die Sinnhaftigkeit dieser Wohnungsbaugesellschaft zum Teil kontrovers diskutiert. Große Kommunen wie Buchholz, Tostedt und Winsen haben bisher nicht entschieden, ob sie Gesellschaftsanteile erwerben oder sogar eigene Wohnungsbaugesellschaften vor Ort gründen wollen. Sollten sich die großen Kommunen nicht mehrheitlich an dieser Wohnungsbaugesellschaft beteiligen, ist diese bereits in der Gründungsphase zum Scheitern verurteilt.

Unser Standpunkt:

Sozial bezahlbarer Wohnraum“ ist wichtig und seine Notwendigkeit ergibt sich bereits aus der Fürsorgepflicht der Kommunen gegenüber seinen Bürgern.

Ob eine Gemeinde auch geförderten Wohnraum für potentielle Neubürger schaffen muss, ist politisch in unserer Gemeinde nicht ausreichend diskutiert. Die Erschließung von Neubaugebieten mit „Mehrgeschossbauten“ schafft auf jeden Fall eine andere Wohnqualität als sie bisher in Jesteburg vorherrscht. Wenn Ratsmitglieder preiswerten Wohnraum fordern, weil „Arbeitgeber angeblich ansonsten keine Mitarbeiter mehr finden“ und „unsere Schulen sonst bald keine Schüler mehr hätten“ scheinen uns diese Argumente wenig fundiert zu sein. Millioneninvestitionen rechtfertigen sie jedenfalls nicht.

Leider ist die Begrifflichkeit „sozialer Wohnungsbau“ nicht eindeutig definiert. Häufig findet eine Vermischung der Begriffe „Sozialwohnungen“ (Miete/qm ca. 5,60 €) und „sozialer Wohnraum“ (Miete/qm ca. 8,50 €) statt. Die geplante Wohnungsbaugesellschaft hat bisher nicht festgelegt, in welchem Verhältnis diese Wohnungstypen bei anstehenden Bauvorhaben stehen werden.

Wir fragen:

  • Warum steuert nicht die Samtgemeinde diesen Prozess?
  • Warum tritt nicht die Samtgemeinde, so wie vom Landkreis gewünscht wird, als Gesellschafterin in die Wohnungsbaugesellschaft ein?

Uns erschließt sich das Vorpreschen des Jesteburger Gemeinderates nicht. Ein Wohnungsbaukonzept der Gemeinde Jesteburg ist uns ebenso wenig bekannt, wie entsprechende Konzepte der Gemeinden Bendestorf und Harmstorf. Von einer gemeindeübergreifenden Abstimmung möglicher Konzepte untereinander ganz zu schweigen. Stattdessen scheint zumindest in der Gemeinde Jesteburg als Konzept das Motto zu gelten „Hast du ein Stück Land zu verkaufen, erstellen wir dir dafür einen eigenen Bebauungsplan“. Jetzt halt auch mit „sozialer“ Komponente.

Verlässliche Daten über zusätzlichen Wohnungsbedarf innerhalb der Samtgemeinde Jesteburg und/oder den Mitgliedsgemeinden (Bendestorf, Harmstorf und Jesteburg) liegen bisher nicht vor. Es wird stattdessen mit Allgemeinplätzen wie „Wohnraum ist überall knapp“ oder mit landkreisweiten Statistiken argumentiert, die keinen eindeutigen Bezug zur Samtgemeinde haben.

Wir vermissen Konzepte, wie und wo Wohnsiedlungen in den kommenden Jahren entstehen sollen (Stichwort „Verstädterung“) und welche unterstützenden Strukturmaßnahmen (Stichwort „Verkehr“) zur Absicherung möglicher Neubaupläne ergriffen werden.

Wir fragen:

  • Warum musste diese grundsätzliche und die kommenden Haushalte nachhaltig belastende Entscheidung jetzt getroffen werden?
  • Warum will die Gemeinde Jesteburg für die Samtgemeinde die Verantwortung und die Kosten übernehmen?
  • Warum wird die Samtgemeinde nicht als Ganzes betrachtet und nachhaltig entwickelt?
  • Warum scheint es nur in der Gemeinde Jesteburg Bauland für Mehrgeschossbauten zu geben?
  • Wie lautet der Konsens unter den Mitgliedsgemeinden Bendestorf, Harmstorf und Jesteburg –  „sozial bezahlbaren Wohnraum“ für bereits in der Samtgemeinde lebende Bürgerinnen und Bürger oder (auch) zusätzlichen Wohnraum für einkommensschwache Neubürger schaffen?

Die Samtgemeinde Jesteburg wuchs in den vergangenen 10 Jahren durchschnittlich um zirka 75 Einwohner/Jahr. Das Wachstum wurde überwiegend im Ortsteil Jesteburg erzielt. Hierbei dominierte die Vernichtung von Freiflächen im Außenbereich die Gemeindepolitik. Die Einwohnerzahlen in Harmstorf sind seit Jahren rückläufig.

Wir fragen:

  • Warum wird nicht schwerpunktmäßig in Harmstorf entsprechendes Bauland geschaffen?
  • Warum will sich der Jesteburger Gemeinderat an einer Wohnungsbaugesellschaft beteiligen, die auf ein Wohnungsbaukonzept setzt, das auf Mehrgeschossbauten setzt, obwohl der Landkreis langfristig keinen Bedarf an Mehrfamilien-häusern für Jesteburg prognostiziert hat?

Der eventuelle Bedarf nach Sozialwohnungen für unsere Bürgerinnen und Bürger könnte durch einzelne Mehrfamilienhäuser in Baulücken (z.B. Seevekamp) oder durch eine gezielte Verdichtung im Baulandbestand befriedigt werden.

Wir sind überzeugt, dass potentielle Neubürger „aufs Land“ ziehen wollen, um sich ein eigenes Häuschen leisten zu können und um im Grünen zu wohnen. Ein Investitionsprogramm für Jesteburg sollte sich an den Gegebenheiten vor Ort orientieren. Was für große Kommunen gilt, muss noch lange nicht die Richtschnur für das Handeln im dörflichen Umfeld sein.

Aus unserer Sicht gibt es noch viel Klärungsbedarf bevor man – trotz einer angespannten Haushaltslage – über eine Million Euro in eine Wohnungsbaugesellschaft investiert.