AUGEN ZU UND DURCH?
– Samtgemeinderat winkt die Jesteburger Neubaupläne durch –
Die Samtgemeinde unterstützt in ihrer Ratssitzung am 23.06.2016 den Wunsch der Gemeinde Jesteburg, freie und ortstypische Landschaftsgebiete in Bauland umzuwandeln.
Ein über 90 minütiger Werbevortrag mit 36 Vortragsfolien über die Gründung einer Wohnungsbaugesellschaft für bezahlbaren Wohnraum im Landkreis stellte alle anwesenden Bürgerinnen und Bürger auf eine harte Geduldsprobe. Interessant war lediglich die grundsätzliche Einschätzung des Landkreisvertreters von „sozial schwachen Familien“:
Eine Familie (Vater, Mutter, 2 Kinder) müsse schon eine Wohnung mit 100 qm bewohnen. Bei einem Familieneinkommen von knapp 2.300 Euro netto und einer angenommen marküblichen Neubaumiete von 10 Euro/qm käme diese so bereits auf 1.000 Euro Kaltmiete. Dieses Problem wolle der Landkreis mit der neuen Wohnungsbaugesellschaft lösen und bezahlbaren Wohnraum (zirka 8,50 Euro/qm) schaffen.
Den Ratsmitgliedern schien der Vortrag gefallen zu haben, auch wenn er absolut nichts mit der Tagesordnung zu tun hatte. Selbst auf direkte Nachfrage eines Ratsmitgliedes konnte der Vortragende Mitarbeiter des Landkreises keine erhellenden Auskünfte zum eigentlichen Thema „Flächennutzungsplanänderung am Schierhorner Weg“ beitragen.
Das war aber anscheinend auch nicht weiter wichtig. Eine Diskussion unter den Ratsmitgliedern über den Antrag der Gemeinde Jesteburg gab es eh nicht.
Während im Bauausschuss der Samtgemeinde immerhin noch kritische Stimmen über die Sinnhaftigkeit der geplanten Neubauflächen und das Fehlen eines Gesamtkonzeptes laut wurden, so wurde in der Samtgemeinderatssitzung der Antrag einstimmig durchgewunken.
Hier die bemerkenswerteste Stellungnahme eines Ratsmitgliedes zu diesem Thema:
Ein Verkehrschaos oder eine spürbare Mehrbelastung des Schierhorner Weges sei nicht zu befürchten, weil die meisten Sozialhilfeempfänger und einkommensschwachen Familien gar kein Auto hätten und sich deshalb für die Verkehrsführung keine großen Probleme ergeben würden.
Unser Standpunkt:
Ohne ein erkennbares Gesamtkonzept wird die Zerstörung ortstypischer Landschaftsflächen weiter vorangetrieben. Der Samtgemeinderat nimmt seine Kontrollfunktion gegenüber der Gemeinde Jesteburg nicht wahr.
Dafür referierten Jesteburger Ratsmitglieder erneut über notwendiges, soziales Engagement für Menschen mit geringen Einkommen. Diese Sonntagsreden hatten jedoch wenig mit dem geplanten „Neubaugebiet Schierhorner Weg“ zu tun.
Fakten:
Es sollen 45.000 qm Ackerland in Bauland umgewandelt werden.
- 13.500 qm (30%) für die Bebauung mit günstigem Wohnraum
- 31.500 qm (70%) zur freien Bebauung
Als Käufer kommen die Gemeinde Jesteburg, Investoren und private Bauherren in Betracht.
- Die Gemeinde Jesteburg beabsichtigt nur die Fläche für „bezahlbaren“ Wohnraum (13.500 qm) zu erwerben. Hierfür wird sie erneut einen Millionenkredit aufnehmen müssen.
- Private Bauherren und Investoren werden sich die übrigen Flächen meistbietend teilen. Hier ist keine „Sozialbindung“ vorgesehen.
Bei einem Grundstückspreis für Bauland von 130-160 Euro/qm, ergeben sich für die Eigentümer der Flächen Einnahmen von 5,8 bis 7,2 Millionen Euro.
Zum besseren Verständnis:
Der Verkaufspreis für das jetzige Ackerland liegt bei 3,40 Euro/qm. Das Gebiet hat also derzeit nur einen Gesamtwert von 153.000 Euro…
Selbst wenn die Eigentümer der Gemeinde die geplanten Flächen für „bezahlbaren“ Wohnungsbau schenken würden, ergäben sich hier noch immer Gewinnspannen, bei denen sich jeder Investor die Finger lecken würde.
Wiederholt sich hier einfach nur Geschichte? Jesteburg hatte bereits vor einigen Jahren einen „Bauskandal“ vor einer Wahl. Auch damals wurden Flächen umgewandelt und angeblich auf Grund von guten Beziehungen zu den Ratsmitgliedern für die Eigentümer „vergoldet“.
Ratsarbeit ist dem Allgemeinwohl verpflichtet. Dieses Projekt widerspricht sowohl dem erklärten Bürgerwillen, freie Landschaftsflächen zu erhalten als auch der Festlegung auf eine Wohnraumverdichtung im Innenbereich.
Geradezu lächerlich war der Versuch eines Ratsmitgliedes, die Fläche am Schierhorner Weg als „Außenfläche im Innenbereich“ zu definieren. Das mag nach den gültigen Ratsentscheidungen stimmen, widerspricht aber dem Empfinden jedes Bürgers mit gesunden Menschenverstand.
Die grundlegende Intention des Masterplanes – und damit des erklärten Bürgerwillens – wird durch diese Definition kurzerhand ausgehebelt.
Es bleibt zu hoffen, dass der Landkreis dieses Projekt „Neubaugebiet am Schierhorner Weg“ genauso einkassiert wie das Oberverwaltungsgericht den „Famila“-Bebauungsplan.