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KULTURFOERDERMITTELVERGABE 2017

DIE GEISTER, DIE ICH RIEF…

– Jesteburger Kulturpolitk steht vor einem Scherbenhaufen

(Sitzung des Fachausschusses Wirtschaft, Touristik und Kultur – 14.12.2016)

Strahlen soll unser Dorf weit über seine Grenzen hinaus“. So der Wunsch aller Ratsmitglieder der letzten Jahre. Dafür wurde viel Geld in die Hand genommen. Das Kunsthaus wurde gekauft (365.000 Euro), Kunstwochen wurden gefördert (über 20.000 Euro pro Veranstaltungsjahr), ein Natur-Kunstpfad wurde initiiert (über 100.000 Euro) und die Fördergelder für Vereine wurden über die Jahre vervielfacht (2010: 17.000 Euro, 2017: 50.000 Euro).

In der Ausschusssitzung wurde erneut klar, welch kultureller Scherbenhaufen entstanden ist. Das Kunsthaus befindet sich in einem katastrophalen Zustand. Renovierungskosten in sechsstelliger Höhe, Besucherzahlen, die kaum der Rede wert sind, ein Kunstpfad der ohne jede Beteiligung der Jesteburger entstehen wird und eine Kunst- und Kulturwoche, die in 2017 niemand mehr verantworten will. Auch hohe finanzielle Zuschüsse für Kunst- und Kulturveranstaltungen haben in Jesteburg kein vielseitigeres kulturelles Angebot erstrahlen lassen. Vielmehr wurden die Förderrichtlinien optimal auf die Bedürfnisse der drei Großen zugeschnitten und freie Kulturschaffende sogar von jeder Förderung explizit ausgeschlossen.

Und so soll es wohl weitergehen. Bossard, Kunsthaus und Naturbühne sollten nach dem Willen der Herren Jost, Glaeser und Börner über 94 % des Förderetats zugesprochen bekommen.


Wie die Saat, so die Ernte.

Alle Bemühungen der vergangenen Jahre eint vor allem eins: Sie waren konzeptlos, nicht messbar, intransparent und weder bürgernah, noch auf Nachhaltigkeit ausgelegt. Einige wenige selbsternannte „Kunstverständige“ frönten ihren privaten Vorlieben ohne die politische und finanzielle Verantwortung dafür zu übernehmen.

Über eine halbe Million Euro aus Steuermitteln wurden investiert ohne dass die Jesteburger sich groß bereichert fühlen. Sie vermissen stattdessen das dörfliche Miteinander auf Dorffesten oder Osterfeuer.
Unsere Anträge, die Gemeinde (Ratsmitglieder) mögen mehr Flagge zeigen und sich in Projektgruppen sichtbar engagieren, fanden keine Mehrheit. Es bleibt derzeit dabei: Wer etwas für die Gemeinschaft veranstalten will, muss zu aller erst ohne Unterstützung ein Konzept erstellen. Die Politik will sich nicht kulturpolitisch engagieren.

Herr Börner und Herr Glaeser forderten uns auf, dem Ausschuss unser Konzept zur Kulturförderung zu unterbreiten. Dem Wunsch werden wir in der kommenden Sitzung gerne nachkommen.


Für 2017 ergibt sich nachfolgendes Bild:

Heute teilen sich die vier Institutionen Bossard, Kunstverein, Naturbühne und Jesteburger Podium die Fördermittel. Andere Kunstschaffende stellen kaum noch Anträge oder wenn dann in finanziell kleinen Dimensionen.

Naturbühne:

Die Gemeinde gab dem Verein ein zinsloses Darlehen über 60.000 Euro für den Bau einer Bühne und investierte weitere Steuergelder (gut 10.000 Euro) in die Ausstattung der Bühne. Große Erwartungen wurden an eine neue Idee geknüpft. Zielvorgaben, Messgrößen? Fehlanzeige. Bisher scheint der Verein auch keine nennenswerten Rücklagen gebildet zu haben. Weder können die Vorlaufkosten für die Veranstaltungen selbst getragen werden, noch scheint das Darlehen derzeit zurückgezahlt zu werden.

Der Verein „Naturbühne“ bleibt mit seinen Veranstaltungen weit hinter den Erwartungen zurück. In 2017 werden es gerade noch zwei eigene Veranstaltungen sein. Eine davon ist sogar nur der dritte Auftritt der Countryband „Third Coast“ in Folge. Trotzdem bekommt der Verein für die Organisation der beiden Veranstaltungen 9.000 Euro aus dem Kulturetat zugesprochen.


Kunstverein:

Seine Arbeit für Jesteburg wird von vielen Bürgern kritisch gesehen. Die Gemeinde stellt dem Kunstverein kostenfrei das Kunsthaus zur Verfügung. Geöffnet ist es nur für dreieinhalb Stunden (Donnerstag-Sonntag). und die Ausstellungen werden von den Jesteburgern kaum angenommen.

Wir fragten nach, ob die subjektiv wahrgenommene „schlechte Arbeit“ des Kunstvereins so stimme. Frau Isa Maschewski erklärte, dass das Gegenteil der Fall wäre. Künstlerisch stoße die Arbeit des Jesteburger Kunstvereins national auf große Anerkennung. Die Mitgliederzahlen stiegen stetig (zirka 300 Personen) und mindestens zwei Drittel aller Mitglieder seien aus dem Samtgemeindegebiet (Stand 01.01.2017). Auch die Besucherzahlen stiegen stark an. In diesem Jahr erwarte man mehr als 6.000 Besucher. Auf unsere Nachfrage wurde eingeräumt, dass es sich hierbei – entgegen sich hartnäckig haltender Gerüchte – nicht um Klickzahlen auf der Homepage sondern um reale Besucher handele, die Veranstaltungen des Kunstvereins (auch außerhalb Jesteburgs) besuchen. Daten über die Besucherzahlen im Jesteburger Kunsthaus konnten leider nicht genannt werden. Schade, für uns wäre genau diese Zahl ein messbarer Erfolgsfaktor gewesen.

Hier erleben wir wieder einen typischen Konflikt: Die öffentliche Wahrnehmung in Jesteburg deckt sich nicht mit den Lobpreisungen in Fachkreisen. Aus unserer Sicht ist es ein guter Grund, die Sinnhaftigkeit des jetzigen Kunsthauskonzeptes zu hinterfragen. Da die anderen Parteien derzeit keinen Handlungsbedarf sehen, werden wir den Kunstverein und alle Jesteburger Künstler zu einem runden Tisch einladen, um ein vielfältiges Konzept zu erarbeiten, das eventuell die anstehenden Renovierungskosten des Gebäudes rechtfertigten könnte.

Leider mussten wir lernen, dass es gemeindeseitig keine klaren Vorgaben für den Betreiber des Kunsthaus gibt. Der Gemeinde reicht die vertragliche Zusicherung, dass es ein Haus für „moderne und zeitgenössische Kunst“ sei. Herr Börner erklärte sogar, ihm reichen die Ausstellungskataloge, um erkennen zu können, dass im Kunsthaus eine exzellente Arbeit geboten werde.

Wir wünschen uns ein klares inhaltliches Konzept der Gemeinde an dem sich der Betreiber messen lassen kann. Grundsätzlich halten wir die derzeitige Nutzung des Kunsthauses für nicht ausreichend und eine Investition von hunderttausenden Euro in die Gebäudesanierung wird es mit uns so nicht geben.

Der Kunstverein forderte für sechs Ausstellungen in 2017 einen Zuschuss in Höhe von 10.000 Euro. Wir hielten den Zuschuss im Vergleich zu den Anträgen anderer Vereine für überzogen, deshalb schlugen wir 5.400 Euro (900 Euro je Ausstellung) vor. Die SPD favorisierte 5.500 Euro, die CDU 9.000 Euro. Die Herren Glaeser, Jost und Börner stimmten für 9.000 Euro, Hansjörg Siede und Angelika Schiro stimmten für 5.500 Euro.

Nachträglich musste die Zuschusshöhe auf 5.500 Euro reduziert werden, da keine freien Fördergelder mehr vorhanden waren. Herr Börner schlug Frau Maschewski vor, im 2. Halbjahr 2017 einen weiteren Antrag zu stellen.


Jesteburger Podium:

Der Verein bietet seit über 25 Jahren ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm an. Dieses Jahr beantragte er für 11 Veranstaltungen eine Gesamtfördersumme von 5.500 Euro (knapp 600 Euro je Veranstaltung). Die Herren Börner, Jost und Glaeser sprachen sich gegen einen Zuschuss aus und bestanden darauf, dass nur Ausfallbürgschaften gewährt wurden. Siede und Schiro sprachen sich für einen Zuschuss aus. Unstrittig war die Fördersumme.

Zusätzlich beantragte der Verein für drei Jahre ein zinsloses Darlehen über 2.500 Euro. Grundsätzlich wurde es einstimmig genehmigt. Der Verein muss einen überarbeiteten Antrag einreichen.

Alle anderen Förderungen wurden einstimmig gewährt. Eine entsprechende Übersicht finden Sie hier.


Unsere grundsätzlichen Eindrücke zur Vergabe der Fördermittel:

Auf unseren Wunsch nach einer Definition des Begriffes „Ausfallbürgschaft“ wurde deutlich, dass die Begrifflichkeit unterschiedlich interpretiert wird und nicht widerspiegelt, wie sie angewendet wird. Fakt ist, dass es sich um zinslose Darlehen handelt, das die Gemeinde zur Verfügung stellt.

CDU und die Grünen wollten möglichst keine Zuschüsse aus dem Kulturetat vergeben. Sie setzten voll auf die Variante „Ausfallbürgschaft“. SPD und UWG Jes! hatten differenziertere Sichtweisen und stimmten projektbezogen für unterschiedliche Varianten.

Messbare Erfolgskriterien einführen? Nein danke, alles sei doch gut so wie es ist. Mehr Engagement der Gemeinde(-vertreter)? Nein danke, die Bürger sollen erst einmal alles alleine entwickeln, dann könne sich der Ausschuss mit den offiziellen Anträgen beschäftigen. Das funktioniert zwar immer weniger, aber vielleicht ist das ja genau das, was die Herren bezwecken? Osterfeuer, Dorffest, vielleicht ist ihnen das alles viel zu provinziell? Kunsthaus und Naturbühne dagegen scheinen für sie die „große weite Welt“ zu bedeuten.

Es war dem Trio Börner/Jost/Glaeser anzumerken, wo ihre Schwerpunkte lagen: An den Anträgen der anderen Vereine krittelten sie herum (obwohl diese dem Gedanken der Kultur- und Kunstrichtlinie entsprachen), die Anträge des Kunstvereins und des Naturbühnevereins wollten sie unreflektiert durchwinken.

„Den Bürger mitnehmen“ war eine zentrale Forderung der Grünen im Wahlkampf, Herr Glaeser scheint aber zumindest in der Kulturförderung einen anderen Blickwinkel zu haben. Ebenso ist es für uns unverständlich, warum Herr Jost über die Zuschussanträge seiner „Mitbewerber“ abstimmt. Das ist rechtlich sicherlich einwandfrei, ein wenig mehr Fingerspitzengefühl in diesem Punkt und die Entsendung eines Vertreters wäre sicherlich der politisch korrektere Weg.

Es wurde deutlich, dass wir uns in grundsätzlichen Herangehensweisen teilweise erheblich von den anderen Ratsmitgliedern unterscheiden. Es wurden viele unverbindliche Erklärungen und gut gemeinte Ratschläge zu unseren Anträgen abgegeben und wir werden sie in der kommenden Ratsarbeit berücksichtigen. Grundsätzlich fielen unsere Vorschläge für mehr Bürgernähe (Runde Tische, Projektgruppen) und Transparenz (Messgrößen zur Erfolgkontrolle, detaillierte Konzepte) bei den Herren jedoch nicht auf fruchtbaren Boden.

Positiv war jedoch die grundsätzliche Bereitschaft aller Ausschussmitglieder, im kommenden Jahr ein Dorfest und ein Osterfeuer zu unterstützen.