JESTEBURGER KUNSTPFAD – der Countdown läuft
Kunstförderung unter Ausschluss der Öffentlichkeit?
Die drei großen Projekte des alten Gemeinderates gehen in die letzte Runde. Mit „Famila“, dem „Gesundheitszentrum“ und dem „Kunstpfad“ wollten die Ratsmitglieder richtungsweisende Entscheidungen treffen.
Die Mehrheit der Jesteburger Politiker sehen Jesteburgs Zukunft als Kunst- und Kulturmetropole in der Nordheide. Dafür sind sie bereit, Steuermittel im sechsstelligen Eurobereich einzusetzen und hoffen, dass der Zuspruch aus nahen und fernen Gemeinden so groß sein wird, dass Jesteburger Kulturschaffende und Kaufleute davon profitieren werden.
Als erstes Projekt ist nun der Kunstpfad auf der Zielgeraden angekommen. Nachdem die Eröffnung im vergangenen Jahr nicht stattfinden konnte, soll er nun am 15. April eingeweiht werden.
Was lange währt wird endlich gut?
Ob die Verantwortlichen die Chance genutzt haben und der Kunstpfad das Potential haben wird, ein Grundstein für ein weit über seine Gemeindegrenzen hinausstrahlendes Kunstprojekt zu sein, werden wir Ostersamstag erleben.
Auf jeden Fall dürfen wir gespannt sein, wie Kuratorin Isa Maschewski und Frau Dr. Mayr (Kunststätte Bossard) den von der Gemeinde ausgestellten Persilschein für die künstlerische Gestaltung des Kunstpfades genutzt haben.
Laut Frau Maschewski soll der Kunstpfad einen Brückenschlag zwischen der Vergangenheit und dem Heute, zwischen der Kunststätte Bossard und dem Kunsthaus in der Ortsmitte schaffen.
Das aktuelle Konzept, das die Grundlage für die ersten Kunstwerke bildet, will „die Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen aus Jesteburg“ abbilden. Hierfür engagieren sich vier Künstler mit unterschiedlichen Entwürfen.
Zitat:
„Die Arbeiten, die sich auf dem Jesteburger Kunstpfad versammeln, vereint ihre Fähigkeit zur Übersetzung – Kunst kann unser Augenmerk auf Zusammenhänge richten, die uns zuvor verschlossen blieben, obwohl wir eigentlich täglich mit ihnen konfrontiert werden.„
Fünf Wochen vor der Eröffnung und vieles ist noch unklar
Eine Beteiligung der Öffentlichkeit oder ortsansässiger Künstler hat im Rahmen der bisherigen Entwicklung des Kunstpfades praktisch nicht stattgefunden. Weder wurden die Bürger an der Auswahl der Kunstwerke beteiligt noch wurden Bürger oder Politik in die Detailplanungen miteinbezogen.
Die Mehrheit der Ratsmitglieder setzte auf die Fachkompetenz der beiden Damen, auch wenn Tranzparenz und Bürgerbeteiligung dabei genauso auf der Strecke geblieben sind wie klare Vorgaben und Kriterien zur Erfolgsmessung des Kunstpfades.
Klar ist lediglich, dass der Kunstpfad gemeinsam mit einem Osterfeuer eröffnet wird, die Eröffnungsfeier ohne Zuschüsse der Gemeinde von Frau Maschewski organisiert wird und die Gemeinde auch in den kommenden Jahren weitere Skulpturen aus Gemeindemitteln anschaffen will.
Ansonsten scheint bei der bisherigen Umsetzung vor allem der künstlerische Anspruch im Vordergrund gestanden zu haben und die ebenfalls notwendige kaufmännische Grundlagenarbeit scheint auf der Strecke geblieben zu sein. Wir erhielten jedenfalls keine befriedigenden Antworten auf unsere Nachfragen:
- Inwieweit reduziert sich der Zuschuss aus Steuergeldern für die ersten vier Kunstwerke, wenn es Frau Maschewski nicht gelingt 26.100 Euro aus anderen Fördertöpfen einzuwerben?
- Woran soll der Erfolg des Kunstpfades gemessen werden, so dass die bereits geplanten weitere Zuschüsse gerechtfertigt werden könnten?
- Welche Standorte sind für die einzelnen Kunstobjekte und in Abstimmung mit wem festgelegt worden?
- Wer hält die Kunstwerke instand?
- Wer übernimmt die Kosten für die Installationen und Instandhaltungen der Kunstwerke?
- Welche Qualitätsmaßstäbe wurden an die einzelnen Kunstobjekte gelegt (z.B. Haltbarkeit, Größe, Umweltverträglichkeit)?
- Wer trägt die Kosten für die Versicherung und Wartung des Mini-Busses?
- Wie alt, wie fahrtüchtig und wie umweltfreundlich ist der verwendete Mini-Bus?
- Welche Qualitätsmaßstäbe wurden an das Lautsprechersystem gestellt?
Eine verantwortungsvolle Steuerung des Projektes durch die Gemeinde ist nicht zu erkennen und anscheinend politisch auch nicht gewollt.
Für uns ist das ganze Projekt sowohl in seiner Entwicklung als auch in seiner derzeitigen Gestaltung nicht schlüssig. Weder wurde die Straßenbemalung mit den betroffenen Anwohnern diskutiert (siehe Kunstwerk 1), noch gab es bisher öffentliche Aufrufe, um mit den Jesteburger Kindern Worte für Kunstwerke zu suchen und festzulegen (siehe Kunstwerk 3). Diese „Kunstförderung“ scheint nur oberflächlich in Jesteburg verankert zu sein und befruchtet die Entwicklung der eigenen Kunstszene kaum.
Oder fehlt uns einfach nur der notwendige Zugang, um freudig zustimmen zu können, dass Steuergelder im sechsstelligen Bereich ausgegeben werden, ohne vorab alle damit verbundenen Zusatzkosten, Verantwortlichkeiten und Risiken abgeklärt zu haben?
Ob der Kunstpfad die Jesteburger Kunstlandschaft bereichern wird, die Spaziergänger den erwünschten Brückenschlag annehmen werden oder alles eine Verschwendung von Steuergeldern in Zeiten knapper Kassen sein wird, darüber können sich alle Kunstinteressierten ab Ostern 2017 ihr eigenes Urteil bilden.
Nachfolgend haben wir Ihnen die aktuellen Ideen von Frau Maschewski und den Künstlern noch einmal zusammengestellt. Wenn Sie sich detailliert in das aktuelle Konzept einlesen wollen, klicken Sie hier. Es öffnet sich dann in einem separaten Fenster die von Frau Maschewski erstellte Gesamtkonzeption.
Alle Bilder haben wir aus den Konzeptentwürfen entnommen.
1.Monika Michalko: Straßenmalerei
Es soll eine farbenfrohe Straßenmalerei mit langlebiger Asphaltfarbe auf dem Schulweg der Kinder entstehen. Nach der Fertigstellung der Malerei ist mit der Künstlerin ein Workshop geplant, in dem Kinder die entstandene Malerei erweitern.
2. Dirk Meinzer: Baumhaus
Ein begehbares, feststehendes Haus aus Naturmaterialien, in dessen Inneren weitere skulpturale Arbeiten zu sehen sein werden.
Die Hütte wird nach dem Vorbild von traditionellen Techniken aus Afrika angefertigt.
3. Rupprecht Matthies: Worte für Jesteburg
Jesteburger Kinder und Jugendliche sammeln Worte, die für sie Jesteburg beschreiben. Diese Worte sollen als bunte Holzskulpturen in großer Zahl den Parkplatz der Oberschule schmücken.
4.Tintin Patrone: Mobiles Bus-Soundsystem
Der Bus, nach dem Vorbild z.B. indischer Mini-Pick-ups, ist ein „mobiles Soundsystem“ und kann von Vereinen, Schulen und Jugendeinrichtungen für Veranstaltungen und Umzüge genutzt werden.
An seinem ständigen „Parkplatz“ (in der Buskehre vor dem Freibad) wird ein „Carport“ errichtet, welches den Bus vor Verwitterung schützen soll. „Gemeinsam wirken Carport und Bus als Skulptur, die besichtigt werden – ihren Platz aber eben auch immer wieder verlassen kann.“
5. Timm Ulrichs: Musterfassade
Komplettiert werden die vier neuen Kunstwerke durch die Schenkung von Timm Ulrichs. Sein Kunstwerk wurde bereits in der Nähe der Kunststätte Bossard aufgestellt. Es ist eine Musterfassade, die aus dem Neubau des Sprengel Museums in Hannover stammt.
Frau Maschewski ist begeistert:
„Überall wo diese (Musterfassaden) errichtet oder aufgehängt werden, spielt der Begriff „Verheißung“ eine große Rolle. Sie sind Vorboten von dem, was passieren soll, geben den Besuchern der Baustelle einen Eindruck von dem, was kommen wird. Was passiert, wenn man eine solche Musterfassade aus ihrem Kontext reißt und sie an einem andren Ort aufstellt? Bleibt der verheißungsvolle Charakter? Oder konzentrieren wir uns auf einmal auf gänzliche andere Qualitäten, beurteilen vielmehr die vorhandene Ästhetik in all ihrer Unvollständigkeit, anstatt das geplante Ergebnis?„
Wir dürfen weiterhin gespannt bleiben, welche Kunstwerke wo aufgestellt werden, welche „Spannungsbögen“ diese in unserer schönen Landschaft auslösen werden und wer die Neben- und Folgekosten dieses Projektes tragen wird. Vielleicht ist diese intransparente Informationpolitik der Bürgerinnen und Bürger ja auch ein Teil des künstlerischen Gesamtkonzeptes.