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FAMILA – Zweiter Versuch

MIT VOLLDAMPF VORAUS

– Endlich der große Befreiungsschlag oder Untergang mit wehenden Fahnen? –

(Bau- und Planungsausschusssitzung am 02.08.2017)

 

Der Bau- und Planungsausschuss empfiehlt mit den Stimmen von SPD, CDU und den Grünen, den neuen Bebauungsplanentwurf für Famila öffentlich auszulegen.

Seit nunmehr 13 Jahren soll eine zeitgemäße Einkaufsstätte in Jesteburg entstehen und seit 6 Jahren lautet die Losung, dass das alte Festhallengelände die perfekte Lösung  und alternativlos sei. Kurzfristig geriet die Allparteieneinheitsfront „Pro Famila“ ins Wanken, als Anfang diesen Jahres ein weiterer potentieller Investor in Jesteburg („Sandbarg-Center„) mit alternativen Plänen auftauchte. Mittlerweile haben sich die Parteireihen wohl wieder fest geschlossen.

 

Geht es wirklich noch um eine optimale Nahversorgung für uns Jesteburger oder haben viele Verantwortliche diesen Pfad längst verlassen und wollen mit diesen Gutachten nur das Projekt „Famila“ durchboxen?

 

  • Wenn die Millioneneinnahmen aus dem Verkauf an „Famila“ das wichtigste Argument sind, um dieses Projekt weiterhin durchzuboxen, warum stimmten SPD, CDU und Grüne dafür, auch einen (um Hunderttausende von Euros) geringeren Erlös aus dem Verkauf des Festhallengrundstückes zu akzeptieren, wenn jetzt „nur“ ein kleinerer Verbrauchermarkt umgesetzt werden kann?
  • Wenn die neuen Gutachten rechtsicher belegen, dass nur ein Verbrauchermarkt mit maximal 2.420 qm Verkaufsfläche entstehen darf, warum stimmen dann SPD, CDU und Grüne dafür, Klauseln für eine mögliche Erweiterung des Marktes in den Kaufvertrag einzufügen?
  • Wenn ein weiterer Investor („Sandbarg-Center“) anbietet, auch das Festhallengrundstück zu kaufen, gemeinsam mit der Gemeinde zu entwickeln und auch „Famila“ in eine Lösung „Sandbarg-Center“ zu integrieren, warum weigert sich die Allparteienkoalition dann, diese Variante zumindest ergebnissoffen zu prüfen?
  • Wenn es allen Ratsmitgliedern um eine optimale Lösung für Jesteburg geht, warum argumentieren dann einige mit moralischen Verpflichtungen gegenüber „Famila“?
  • Wenn angebliche vertragliche Verpflichtungen immer wieder dafür herhalten müssen, um an diesem Deal festzuhalten, warum hat der Gemeinderat nicht seine vertraglichen Möglichkeiten genutzt aus den Verträgen auszusteigen, als sich ihm die Gelegenheit bot?

 


 

Der neue Bebauungsplanvorentwurf wurde den Trägern öffentlichen Rechts vorgestellt, um mögliche Einwände bereits vor der finalen öffentlichen Auslegung zu entkräften. Erhebliche Bedenken werden von der Gemeinde Hanstedt, der Industrie- und Handelskammer und dem Landkreis Harburg eingebracht.

Hauptkritikpunkte

1. Hanstedt:

  • Durch die Größe und den Angebotsmix des Marktes würde Famila eine Leitfunktion über die Grenzen Jesteburgs hinaus übernehmen und damit den Einzelhandel in Hanstedt negativ beeinflussen. Diese Sogwirkung wird durch zu niedrig angesetzte Umsatzentwicklungen „kleingerechnet“.
  • Die Verkaufsfläche wird nicht rechtskonform berechnet. Wesentliche Vorkassenbereiche wurden nicht berücksichtigt.

 

2. Landkreis Harburg:

  • Die Berechnung, dass 70% des Umsatzes aus dem Samtgemeindegebiet Jesteburg kommen werde, ist nicht eindeutig nachvollziehbar.
  • Die Verkaufsfläche wird nicht rechtskonform berechnet. Wesentliche Vorkassenbereiche wurden nicht berücksichtigt.
  • Es fehlt ein „Städtebauliches Konzept“:

„Es fehlen zum einen belastbare Untersuchungen dazu, welche Bereiche der Gemeinde Jesteburg derzeit nicht im Sinne der Nahversorgung (fußläufig) versorgt sind bzw. durch das Vorhaben versorgt werden. Zum anderen mangelt es an Ausführungen, wie ausgeprägt die Unterversorgung ist und welches Flächenangebot notwendig ist, um die Unterversorgung zu beseitigen. Die vorliegenden Aussagen (vgl. Schwellenwertanalyse) konzentrieren sich allein darauf, dass raumordnerische Beeinträchtigungen vermieden werden.“

  • Es bestehen Zweifel, ob der Verbrauchermarkt nicht zu Beeinträchtigungen für den Handel im Ortskern führen wird.
  • Die Aussagequalität der Schwellenwertanalyse scheint in einigen Punkten nicht ausreichend zu sein:

Es ist nicht ersichtlich, weshalb es im Ortskern durch die Famila-Ansiedlung zu zusätzlichen 1,28 Mio EUR Umsatz im periodischen Bereich pro Jahr kommen soll.“

Die Werte der vorhabenbezogenen Flächenproduktivität … können nicht nachvollzogen werden und sind geringer als Wert anderer (vergleichbarer) Vorhaben. Auch die Werte für die angenommenen Marktanteile … sind … geringer als erwartet. Beide angenommenen Werte werden in der Schwellenwertanalyse nicht begründet. Durch die angewendeten Werte wird jedoch … die raumordnerische Wirkung des Vorhabens zu konservativ beurteilt. …schon bei geringfügigen Abweichungen (besteht) eine raumordnerische Unverträglichkeit … .

 

3. Industrie- und Handelskammer Lüneburg:

  • Das Verträglichkeitsgutachten ist in diversen Punkten methodisch fehlerhaft und nicht plausibel:

Insgesamt führen die an vielen Stellen offensichtlichen Mängel des Gutachtens von Dr. Lademann & Partner, durch eine Vielzahl von nicht plausibel erscheinenden Grundannahmen, Einschätzungen und Berechnungen dazu, dass das Gutachten aus Sicht der IHK nicht als Nachweis für die Einhaltung des Kongruenzgebotes sowie des Beeinträchtigungsverbotes im Sinne des LROP herangezogen werden kann. Die Beachtung der Ziele der Raumordnung ist deshalb nicht nachgewiesen. Eine Verletzung des Kongruenzgebotes sowie des Beeinträchtigungsverbotes ist aus Sicht der IHK wahrscheinlich.

„… der vorliegende Bebauungsplan-Entwurf (entspricht) nicht den Zielen des Landes-Raumordnungsprogramms. Die Rechtssicherheit des Bebauungsplans … ist aus verschiedenen Gründen fraglich. 
Zum einen weist das Verträglichkeitsgutachten von Dr. Lademann & Partner diverse nicht plausible Annahmen und Berechnungen auf, weshalb es nicht dafür dienen kann, die Einhaltung des Kongruenzgebotes sowie des Beeinträchtigungsverbotes nachzuweisen. Zum anderen fehlt eine überzeugende städtebauliche Begründung für die Ausnahmeregelung zum Integrationsgebot. Die in der Planbegründung genannten Konzepte gehen nicht im Detail auf die Anbindung zwischen Ortskern und Vorhabenstandort ein. Auch fehlt ein Einzelhandelskonzept, das bestehenden und zu entwickelnden Standorten Funktionen zuweist und diese in funktionale Beziehung zueinander setzt. Darüber hinaus ist zu bemängeln, dass in den vorliegenden Planunterlagen eine Bewertung und Abwägung der Fläche am Sandbarg fehlt, obwohl dieser unter bestimmten Voraussetzungen nicht nur den Anforderungen des Integrationsgebotes, sondern auch den anderen LROP-Zielen entsprechen könnte. Außerdem ist die Verkaufsflächendefinition sowohl im Verträglichkeitsgutachten als auch in den Bebauungsplanfestsetzungen irreführend und nicht rechtskonform.

 


Unser Standpunkt:

Es scheint so, als habe die Gemeinde aus dem vernichtenden Urteil des Oberverwaltungsgerichtes im vergangenen Sommer nur wenig dazugelernt. Die Vorgehensweise, von den selben Gutachtern, die vorher noch die große Lösung als rechtskonform bestätigten, nun einen verkleinerten Verbrauchermarkt begutachten zu lassen, ist für uns wenig verständlich. Warum wird auf Sachverständige vertraut, mit deren Gutachten man 2016 grandios gescheitert war?

Die jetzt von den Gutachtern erarbeiteten Kennzahlen und Annahmen sind laut der vorgetragenen Einwände zumindest nicht immer hieb und stichfest. Auch das „Städtebauliche Konzept“, das kurzfristig nachgereicht wurde, basiert teilweise lediglich auf Annahmen, die als Fakten dargestellt werden und dann als Basis für die weiterführende Argumentation dienen sollen. Wie kann man ernsthaft erwarten, dass wir für die Auslegung eines neuen Bebauungsplanes stimmen, bevor alle notwendigen Entscheidungen zur städtebaulichen Entwicklung im Gemeinderat verabschiedet worden sind?

Es bleibt der unangenehme Beigeschmack, dass mittlerweile nicht die Schaffung einer zeitgemäßen Einkaufsmöglichkeit im Mittelpunkt der Überlegungen zu stehen scheint, sondern die große Angst vor einem Scheitern des Projektes. Die finanziellen Folgen für die Gemeinde und der damit einhergehende Gesichtsverlust für manch Ratsmitglied könnten auch zu den Beweggründen zählen, sprechen es immer häufiger viele Jesteburger ganz offen aus.