Personalpolitisch keine Glanzleistung der Samtgemeindebürgermeisterin. Samtgemeinderatsentscheidung zieht erhebliche finanzielle Konsequenzen für die Samtgemeinde nach sich.
WIE VIEL VERÄNDERUNG IST VERTRETBAR?
– Erste Samtgemeinderätin des Amtes enthoben
Mit dem sprichwörtlichen Sprung ins kalte Wasser trat Frau Buzina vor knapp zwei Jahren ihren Dienst in Jesteburg an. Der amtierende Samtgemeindebürgermeister Höper hatte bereits seinen vorzeitigen Rückzug vom Amt verkündet, sein Allgemeiner Vertreter Herr Burmeister würde zeitnah in den Ruhestand gehen und eine große Verwaltungsreform sollte umgesetzt werden. Trotzdem nahm Frau Buzina die Aufgabe an. Als gewählte Allgemeine Vertreterin übernahm sie stellvertretend die Verwaltungsleitung, arbeitete sich parallel in die Leitung des für sie ebenfalls neuen Fachbereiches „Bauen und Ordnung“ ein und musste sich mit den personellen Herausforderungen befassen, die sich zusätzlich aus der Corona-Pandemie ergaben.
Der Samtgemeinderat war überzeugt, dass sie diese Herausforderungen meistern würde. Er wählte Frau Buzina einstimmig am 14.05.2020 in das Amt als „Erste Samtgemeinderätin“ und „Allgemeine Vertreterin„. Damit folgte er den Empfehlungen des damaligen langjährig amtierenden Samtgemeindebürgermeisters Höper und einer professionellen externen Personalberatung. Frau Buzina sollte „eine aktive Rolle im Veränderungsmanagement der Samtgemeinde“ übernehmen und „als Impulsgeberin und Motivatorin die Entwicklung der Samtgemeinde mit Ideen und Tatkraft weiter vorantreiben“ (Zitate aus der Stellenausschreibung).
Am 24. März 2022 entzog der Samtgemeinderat Frau Buzina nun mit 25 von 29 Stimmen das Vertrauen und berief sie mit sofortiger Wirkung aus ihrem Amt ab. 13 Ratsmitglieder stimmten für eine Abberufung, obwohl sie diese weder persönlich kennengelernt noch mit ihr zusammengearbeitet hatten. Als sie am 18.11.2021 ihre Ratsmandate annahmen, war Frau Buzina bereits nicht mehr aktiv in der Verwaltung tätig (Überstunden abbummeln, Jahresurlaub, Krankheit).
Eine Begründung gaben die Ratsmitglieder nicht ab. Eine Offenlegung des mit dieser Maßnahme voraussichtlich anfallenden Kostenrahmens wurde ebenso wenig für notwendig erachtet. Frau Buzina war vom Samtgemeinderat als Beamtin auf Zeit (8 Jahre) gewählt worden und hat somit trotz Abberufung für die verbleibenden 6 ¼ Jahre ihrer Amtszeit einen Anspruch auf Fortzahlung von circa 71% ihrer bisherigen Bezüge. Zusätzlich muss die Samtgemeinde die notwendigen Pensionsrückstellungen bilden.
Mit der Wahl der langjährigen Verwaltungsmitarbeiterin Claudia von Ascheraden zur neuen Samtgemeindebürgermeisterin im Frühjahr 2021 sollen unterschiedliche Führungsstile aufeinandergetroffen und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der neuen Verwaltungschefin mit ihrer Stellvertreterin schwierig gewesen sein. Sollten diese Gerüchte stimmen, hätte die UWG Jes! sich dafür ausgesprochen, zunächst ein Mediationsverfahren zu nutzen, um eine personalpolitisch und finanziell vertretbare Lösung zu finden.
Ein Beispiel für Führungsstärke und umsichtiges Handeln war dieses Abwahlverfahren nicht. Den mehrfachen schriftlichen Bitten der UWG Jes!, die möglichen finanziellen Auswirkungen in der offiziellen Beschlussvorlage aufzuführen, kam die Verwaltungsleitung nicht nach und die Beschlussvorlage blieb unvollständig. Deshalb beantragte die UWG Jes! die Absetzung des Tagesordnungspunktes. Leider stimmten außer den Ratsmitgliedern der UWG Jes! alle gegen eine Absetzung.
Alle Ratsmitglieder der UWG Jes!, die in der vergangenen Ratsperiode mit Frau Buzina zu tun hatten, bestätigten, dass die Zusammenarbeit stets sachlich und professionell war. Deshalb hatte sich auch die neue UWG Jes!-Fraktion gewünscht, dass unsere Samtgemeindebürgermeisterin und Frau Buzina die dringend notwendigen Veränderungsprozesse gemeinsam umsetzen.
Stattdessen Frau Buzina das Vertrauen zu entziehen, verdeutlicht auch, dass diese ihre Aufgabe offensichtlich ernst genommen hat. Sie hinterfragte die Effizienz der Zusammenarbeit zwischen ehrenamtlichen Ratsmitgliedern und der Verwaltung und zog auch verwaltungsintern Konsequenzen aus der Organisationsanalyse, die eine externe Unternehmensberatung im Auftrag des Rates noch vor Buzinas Amtsantritt durchgeführt hatte. Vielleicht hatte sie die Widerstände und möglichen Befindlichkeiten unterschätzt.
Der Samtgemeinderat hat sich für einen nach der Niedersächsischen Kommunalverfassung möglichen (jedoch äußerst selten zur Anwendung kommenden) und sehr kostspieligen Abbruch der Zusammenarbeit entschieden, ohne die finanziellen Auswirkungen nachvollziehbar zu beziffern. Wer später behauptet, er hätte von den immensen Kosten, die damit für die Gemeinde verbunden sind, nichts gewusst, kann sich nun zumindest formal auf dieser anscheinend gewollten „Wissenslücke“ ausruhen.
Fazit:
Die aus der Abberufung resultierenden Kosten müssen zu guter Letzt von den Mitgliedsgemeinden getragen werden. Aus unserer Sicht ist es den Bürgern nicht zu vermitteln, wieso auf der einen Seite die Steuern erhöht werden müssen, um die laufenden Ausgaben abdecken zu können und auf der anderen Seite für viele Jahre finanzielle Verbindlichkeiten eingegangen werden, die sich durchaus im hohen sechsstelligen Bereich bewegen können.
Hintergrundinfos:
Die „Allgemeine Vertretung“ des Samtgemeindebürgermeisters/der Samtgemeindebürgermeisterin wird von der Ersten Samtgemeinderätin/dem Ersten Samtgemeinderat übernommen.
Wird die Position mit einer Wahlbeamtin/einem Wahlbeamten („Beamter/Beamtin auf Zeit„) besetzt, so vertritt sie den/die Samtgemeindebürgermeister*in nicht nur bei Abwesenheit, sondern auch aktiv im Rahmen der Organisationsform, um den/die Samtgemeindebürgermeister*in zu entlasten.
Die wichtigsten Schwerpunkte der Vertretung sind:
- Aufgaben der Verwaltungsleitung
- Außenvertretung der Samtgemeinde in Rechts- und Verwaltungsgeschäften
Chronologischer Ablauf:
14.05.2020:
Der Samtgemeinderat folgt der Empfehlung der unabhängigen Personalberatung NSI und des damaligen Samtgemeindebürgermeisters Höper und wählt Frau Petra Buzina einstimmig zur Ersten Samtgemeinderätin als Allgemeine Vertreterin des Samtgemeindebürgermeisters. Die Wahlzeit gilt für den Zeitraum vom 01.07.2020 bis zum 30.06.2028.
Neben der allgemeinen Vertretung des Samtgemeindebürgermeisters übernimmt Frau Buzina die Leitung des Fachbereiches Bürger und Bauen. Bei der Personalentscheidung wurde berücksichtigt, dass der Samtgemeindebürgermeister Höper zum 01.07.2020 in den Ruhestand gehen und im Herbst 2021 das Amt des Samtgemeindebürgermeisters neu besetzt werden würde. Mit den Formulierungen in der Stellenausschreibung wurde bewusst vermittelt, dass die einzustellende Person auch an einer späteren Kandidatur für das Samtgemeindebürgermeisteramt interessiert sein sollte.
Auszug aus der Stellenausschreibung:
„Das zu verantwortende Aufgabengebiet umfasst die Leitung des Fachbereichs Bürger und Bauen. Des Weiteren obliegt dem Stelleninhaber die strategische Steuerung der Samtgemeinde im Verbund mit dem Samtgemeindebürgermeister. Im Jahr 2021 steht ein Wechsel im Amt des Samtgemeindebürgermeisters an, welches zu einer Veränderung der Organisationsstruktur führen kann. Daher wird Ihnen eine aktive Rolle im Veränderungsmanagement der Samtgemeinde zugedacht, in der Sie als Impulsgeber*in und Motivator*in die Entwicklung der Samtgemeinde mit Ideen und Tatkraft weiter vorantreiben.“
11.04.2021:
Frau Claudia Schoultz von Ascheraden wird von den Bürgern der Samtgemeinde zur neuen Samtgemeindebürgermeisterin gewählt.
29.04.2021:
Amtsantritt der neuen Samtgemeindebürgermeisterin. Sie steigt von ihrer bisherigen Position als Verwaltungsmitarbeiterin ohne Führungsfunktion zur Leiterin der Samtgemeindeverwaltung auf und übernimmt die von Frau Buzina stellvertretend wahrgenommene Leitungsfunktion.
24.03.2022:
Der Samtgemeinderat entzieht Frau Buzina das Vertrauen und wählt sie als Allgemeine Vertreterin ab. Die Abstimmung erfolgte namentlich und öffentlich.
Beschlussvorschlag:
Der Samtgemeinderat beschließt die Abberufung der Allgemeinen Vertreterin und Ersten Samtgemeinderätin Frau Petra Buzina.
Abstimmungsergebnis: Ja: 25* – Nein: 4 – Enthaltung: 0
Die Ratsmitglieder stimmten namentlich wie folgt ab: