Die Gemeinde sitzt in der „Förderfalle“. Doch was sie daraus macht, lässt wenig Weitblick erkennen.
NEUE SCHULDEN TROTZ LEERER KASSEN
Der „Fluch“ eines Förderprogrammes
Trotz leerer Kassen muss die Gemeinde Jesteburg weiterhin in „städtebauliche Maßnahmen“ investieren, weil der Gemeinderat 2016 beschloss, am Förderprogramm „Städtebauförderung – Aktive Stadt“ teilzunehmen. Eigentlich eine gute Sache, schließlich kann die Gemeinde so große Investitionen umsetzen und erhält von Land und Bund zwei Drittel der Kosten erstattet.
6 Millionen ausgeben und nur 2 Millionen bezahlen
Dieser Logik folgend meldete die Gemeinde für den Förderzeitraum (2017-2024) Investitionen in Höhe von fast 6,9 Millionen Euro an. Eine Million Euro wollte sie durch z.B. Grundstücksverkäufe refinanzieren und ca. 5,9 Millionen Euro über das Förderprogramm abrechnen.
Was in der Theorie perfekt klingt, erweist sich in der Praxis als problematisch, wenn wie in Jesteburg die Gemeindekassen „plötzlich“ leer sind und weitere Maßnahmen eigentlich nicht mehr finanziert werden können. Doch die verwaltungsseitig aufgezeigten Konsequenzen wären bitter: Bereits erhaltene Zuschüsse müssten wahrscheinlich zurückgezahlt werden, da das angemeldete Förderziel nicht erreicht würde.
In dieser Gemengelage sprach sich der Gemeinderat jetzt dafür aus, weitere Schulden (2024: 245.000 Euro – 2025: 1,3 Millionen Euro) für weitere förderfähige Investitionen aufzunehmen.
Leider ließ die Ratsmehrheit dabei außer Acht, dass sich die Zielsetzungen des Förderprogrammes „Lebendige Zentren – Erhalt und Entwicklung der Stadt- und Ortskerne“ in den vergangenen Jahren weiterentwickelt und die Themen Klimaschutz und Biodiversität an Bedeutung zugenommen haben. Diese neuen Gewichtungen spiegeln sich kaum in den aktuellen Beschlüssen wider. Die Ratsmehrheit setzt weiterhin schwerpunktmäßig auf Maßnahmen, die den Verkehrsfluss für Autos verbessern und mehr Stellplätze für PKWs schaffen.
Die vom Land Niedersachsen herausgegebene „Anwendungshilfe“ vom 15. November 2023 finden Sie hier.
Deshalb schlugen wir vor, dass die Themen Aufenthaltsqualität, Barrierefreiheit, Biodiversität und Klimaschutz wesentliche Entscheidungskriterien für neue Investitionen sein müssen.
Wir empfahlen, die Umgestaltung der Fläche „Hauptstraße 53“ zu überarbeiten und statt für 1,3 Millionen Euro den Verkehrsfluss rund um die Kreuzung Sandbarg/Hauptstraße zu verbessern, die Fuß- und Radwege und die Bushaltestellen barrierefrei umzugestalten und ökologisch nachhaltige Maßnahmen umzusetzen, die sowohl die Aufenthaltsqualität als auch die Artenvielfalt in der Ortsmitte verbessern.
Unsere Vorschläge:
Fläche „Hauptstraße 53“:
Die Fläche wird so gestaltet, dass sie multifunktional (z.B. als Parkplatz- und Veranstaltungsfläche) genutzt werden kann und gleichzeitig ein hohes Maß an Ortsbegrünung bietet (Mehr Infos).
Flächen unterhalb des Spethmann-Platzes:
Die Grünflächen entlang des Emil-Bartz-Weges, der Pastorenteich und der dahinter liegende ehemalige Fischteich werden so gestaltet, dass diese Flächen wieder zum Verweilen und Spazierengehen einladen, den Blick zur Seeve öffnen und unterschiedlichen Tierarten als Lebensraum dienen.
Geh- und Radwege und Bushaltestellen:
Es werden Hindernisse und Stolperstellen konsequent beseitigt und die Flächen barrierefrei umgestaltet. Dafür notwendige Grundstücksflächen werden wo immer möglich erworben.
Leider gab es hierfür keine Mehrheiten im Gemeinderat.
Hintergrundinfos
Das Sanierungsgebiet „Ortskern“ wurde 2016 vom Gemeinderat festgelegt und hat eine Größe von ca. 22,93 ha (229.300 qm).
Die Grenzen des Sanierungsgebietes verlaufen wie folgt:
- Im Norden: begrenzt durch die Bahnlinie Buchholz- Maschen, zwischen Sandbarg 33 und Harburger Straße 77 und 90.
- Im Osten: begrenzt durch die Straßen Ziegeleiweg, Zur alten Schleuse, den alten Friedhof und die Seeveniederung.
- Im Süden: begrenzt durch die Einmündung Seevekamp/Schierhorner Weg in die Schützenstraße bis Hausnummer 5 und 6.
- Im Westen: begrenzt durch die 1. Baureihe der Straße Sandbarg, der Lüllauer Straße bis zu den Haunummern 14 und 11/13 und der 1 Baureihe der Brückenstraße bis Schützenstraße 5 und 6.
Bisher wurden zwei große Maßnahmen umgesetzt. Dafür wurden gut 2,6 Millionen Euro ausgegeben, von denen die Gemeinde Jesteburg ca. 870.000 Euro tragen musste.
2018: Parkplätze „Alte Schule Sandbarg“
Umgestaltung der Parkplatzflächen vor der alten Schule am Sandbarg (ca. 340.000 Euro)
2023: Kreisel „Hauptstraße/Lüllauer Straße“
Bau des Kreisverkehrplatzes. Kosten inklusive des notwendigen Grunderwerbes voraussichtlich ca. 2,2 Millionen Euro statt ca. 857.000 Euro (2020).
Am 19.06.2024 beschloss der Jesteburger Gemeinderat die Umsetzung von zwei weiteren Maßnahmen für insgesamt ca. 1,55 Millionen Euro:
2024: Umgestaltung der Fläche „Hauptstraße 53“
Vorrangig sollen die bestehenden PKW-Parkplätze befestigt werden.
Für die Umgestaltung des gemeindeeigenen Grundstückes (Die Gemeinde hat es im Rahmen der Städtebauförderung für 177.500 Euro erworben) wurden 2020 145.000 Euro kalkuliert. Die aktuelle und vom Gemeinderat genehmigte Kostenschätzung beläuft sich auf 245.000 Euro.
Unseren ausführlichen Bericht zum Thema „Parkplatz-Neugestaltung Hauptstraße 53“ finden Sie hier.
2025: Kreuzungsbereich Sandbarg/Hauptstraße
(inkl. Sandparkplatz, Fußwege und Oberflächenentwässerung)
Die Abbiegemöglichkeiten sollen geändert (nur noch Rechtsabbiegen), die Parkplätze befestigt, die Fußwege verbreitert und die Oberflächenentwässerung verbessert werden.
Für diese Maßnahmen wurden 2020 knapp 900.000 Euro kalkuliert. Die aktuelle und vom Gemeinderat genehmigte Kostenschätzung beläuft sich auf 1,3 Millionen Euro.
Entscheidungen für die Umsetzung weiterer Maßnahmen wurden verschoben und sollen unter Berücksichtigung der Haushaltslage beraten und entschieden werden.