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KINDERBETREUUNG-Kostenverteilung

Der neue Entwurf zur Übernahme der Kita-Kosten würde Jesteburg weiterhin unzumutbare Kosten in Millionenhöhe aufbürden.

Die Kreistagsabgeordneten scheinen mit sich zufrieden zu sein. Einstimmig haben sie einem Entwurf zugestimmt, der den Gemeinden für die Kinderbetreuung mehr Geld zukommen lässt. Und damit die Gemeinden nicht gleich wieder ausscheren können, sollen sie sich an die neue Vereinbarung vertraglich mindestens bis Ende 2031 binden. Über eine Refinanzierung dieser jährlich für den Landkreis zusätzlich anfallenden Millionen Euro wurde keine Entscheidung getroffen. Man wolle darüber im Rahmen der Haushaltsberatungen 2026/2027 entscheiden. Doch bereits jetzt pfeifen die Spatzen von den Dächern, dass der Landkreis die Kreisumlage so anheben wird, dass er die höheren Aufwendungen im Kita-Bereich von den Gemeinden refinanziert bekommt. Im Klartext: Rechte Tasche – linke Tasche!

Wieso auch die Jesteburger Kreistagsabgeordneten dem Entwurf zugestimmt haben und wieso die SPD-Gemeinderatsmitglieder ein Verhandlungsergebnis loben, das weniger als ein Viertel (ca. 520.000 Euro statt 2,3 Millionen Euro) der im Juni 2024 mit ihren Stimmen beschlossenen Entlastung im Bereich der Kinderbetreuung vorsieht, erschließt sich uns nicht.

Der Landkreis macht es sich einfach. Statt das Land Niedersachsen in letzter Konsequenz gerichtlich zur Zahlung zu zwingen, wälzt er die finanziellen Konsequenzen weiterhin auf die Gemeinden ab. Er bietet den Kommunen eine Vereinbarung an, die zwar auf den ersten Blick zu einer Entlastung der Gemeindehaushalte führt, die Gemeinden aber im Unklaren darüber lässt, wie der Landkreis diese erheblichen Mehrkosten ab 2026 refinanzieren will.

Für uns ist es unverständlich, wie die Verwaltungsleitung von einem „großen Wurf“ reden kann und wieso unser Bürgermeister jede Nachfrage zu diesem Entwurf für einen persönlichen Angriff auf seine Person zu halten scheint (Anmerkung: Er verließ kommentarlos die Gemeinderatssitzung, als Ratsmitglieder von CDU, FDP, UWG und Grünen ihre Bedenken äußerten und Fragen zum Vertragsentwurf stellten, die weder er noch die Gemeindedirektorin beantworten konnten).

Sollte der Gemeinderat in seiner nächsten Sitzung am 27.02.2025 der neuen Vereinbarung zustimmen, wie sollen dann die weiterhin aufzuwendenden Kosten in Millionenhöhe gedeckt werden? Eine entsprechende Antwort blieben uns bisher sowohl die Verwaltungsleitung, der Bürgermeister und alle Ratsmitglieder schuldig, die dem Vertrag zustimmen wollen.

Wir hoffen, dass es in den kommenden Wochen gelingen wird, die Auswirkungen einer möglichen Vertragsunterzeichnung sachorientiert zu beraten.


Mitte der Neunziger Jahre bestand noch Einigkeit darüber, dass Land, Kommune und Eltern sich die Kosten der Kinderbetreuung teilen. Jeder sollte ein Drittel übernehmen. Zum 01.08.2018 führte das Land Niedersachsen die beitragsfreie Betreuung in den Kindergärten ein. Eine landespolitisch gewollte Familienförderung, die, anders als in der Vergangenheit, nicht nur einkommensschwache Eltern unterstützt (z.B. durch die Übernahme der Beiträge), sondern alle Eltern einkommensunabhängig finanziell entlastet.

Im Landkreis Harburg (eigentlich zuständig für die Kinderbetreuung) übernehmen seit vielen Jahren die Gemeinden die Wahrnehmung der Aufgabe „Kinderbetreuung“, so dass die Kosten in den Gemeinden entstehen und über „Zuweisungen“ und „Zuschüsse“ vom Land und Landkreis ausgeglichen werden sollen.

Mit der Einführung der Beitragsfreiheit hätte das Land nach unserem Verständnis zusätzlich zu ihrem Drittel auch die weggefallenen Elternbeiträge, die Kosten für zusätzlich benötigtes Personal und zusätzliche Räumlichkeiten übernehmen müssen. Doch das Land ist dieser Verpflichtung trotz gesetzlicher Regelungen bis heute nicht nachgekommen und hat die Kommunen mit den finanziellen Mehrbelastungen im Regen stehen lassen.

In den letzten Jahren wurde immer deutlicher, dass die an die Gemeinden überwiesenen Mittel nicht ausreichen, um die beitragsfreie Kinderbetreuung auch nur ansatzweise zu refinanzieren. Es stieg zwar die Angebotsqualität (Anspruch auf eine beitragsfreie Ganztagsbetreuung), aber die Gemeinden blieben auf den Kosten sitzen.

Deshalb zogen viele Gemeinden und die Stadt Buchholz 2024 die Notbremse und kündigten die bestehende Vereinbarung mit dem Landkreis auf. Für den Landkreis bedeutete dies, dass er ab 2027 die Kinderbetreuung gemäß der gesetzlichen Verpflichtung eigenständig hätte sicherstellen müssen. Eine organisatorisch und finanziell wahrscheinlich nicht leistbare Herausforderung. Deshalb verhandelte der Landkreis monatelang mit ausgewählten Vertreter*innen (Verwaltungsleitungen der Kommunen) über eine Lösung.

Dem Verhandlungsergebnis stimmte der Kreistag am 17.12.2024 einstimmig zu. Aus seiner Sicht verständlich, kommt er so doch mit einem „blauen“ Auge davon: Das „Horroszenario“ (er muss die Kinderbetreuung eigenständig organisieren und sicherstellen) abgewendet, einen Teil der Kosten auf die Gemeinden abgewälzt und sich aus der Verpflichtung gewunden, sich jetzt mit dem Land Niedersachsen womöglich vor Gericht streiten zu müssen.

Die neue Vereinbarung regelt nur, wer die jährlichen Kosten von gut 4 Millionen Euro für das pädagogische Personal (= Leitung und Stellvertretende Leitung, Pädagogische Fach- und Assistenzkräfte und Vertretungskräfte) ab 2026 übernehmen soll. Alle anderen Kosten für Personal (z.B. Küchenkräfte, Hausmeister) und die Gebäude müssen weiterhin von der Gemeinde getragen werden.

Nach den derzeitigen Kalkulationen würden das Land Niedersachsen und der Landkreis Harburg im Jahr 2026 voraussichtlich insgesamt nur ca. 3 Millionen Euro überweisen. Das bedeutet, das Land würde weiterhin seiner gesetzlichen Verpflichtung 58% der Kosten zu übernehmen nicht nachkommen und nur gut 32 % der anfallenden Kosten für das pädagogische Personal übernehmen. Jesteburg bliebe auf einer Million Euro dieser Personalkosten sitzen.

Mit der neuen Vereinbarung würde sich der Landkreis verpflichten, die Hälfte dieser eigentlich vom Land Niedersachsen zu tragenden Kosten zu übernehmen. Die restlichen ca. 520.000 Euro müsste die Gemeinde weiterhin selbst finanzieren. Es ist zu erwarten, dass sich der Landkreis einen Großteil der dann zusätzlich übernommenen ca. 520.000 Euro über eine Erhöhung der Kreisumlage von der Gemeinde zurückholen wird.

Bekanntermaßen ist die Haushaltslage in Jesteburg extrem angespannt. Der Haushalt 2024 wurde nur genehmigt, weil die Gemeinde ein Haushaltssicherungskonzept beschlossen hat. Auf Anraten des Landkreises sollte die Gemeinde die bestehende Vereinbarung zur Wahrnehmung von Aufgaben im Bereich der Kindertagesbetreuung mit dem Landkreis zum 31.12.2026 kündigen und die Kosten für die Kinderbetreuung (2,3 Millionen Euro) ab 2027 auf Null setzen.

Der Gemeinderat folgte diesem Vorschlag im Sommer 2024, weil die Kommunalaufsicht nur unter dieser Maßgabe bereit war, das Haushaltssicherungskonzept und damit auch den Haushalt 2024 zu genehmigen. SPD, CDU und Grüne waren damals scheinbar davon überzeugt, mit einer neuen Vereinbarung im Bereich der Kinderbetreuung ab 2027 jährlich Kosten in Höhe von 2,3 Millionen Euro einsparen zu können. Eine Maßnahme, deren „Wahrheitsgehalt“ wir von Beginn an bezweifelt haben.


Auf Landkreisebene würde sich die Kostenverteilung auf Basis der tatsächlichen Zuschüsse für das Kalenderjahr 2022 wie folgt darstellen:

Die Kosten für das pädagogische Personal in Höhe von 150 Millionen Euro hätten vom Land (87 Millionen Euro) und vom Landkreis (63 Millionen Euro) erstattet werden müssen. Das Land überwies aber nur knapp 63 Millionen Euro, so dass 24 Millionen Euro der Kosten nicht gedeckt waren und bei den Kommunen (Landkreis und Gemeinden) hängen blieben.

Davon ausgehend, dass das Land weiterhin seinen gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachkommt (so die Annahme der Verhandlungskommission), würde mit der neuen Regelung der Landkreis den Gemeinden 12 Millionen Euro (=50%) zusätzlich erstatten und die Gemeinden müssten aus eigenen Mitteln ebenfalls 12 Millionen Euro zur Deckung der Kosten aufbringen.

Anmerkung: Die Kostenentwicklung von 2022 bis 2026 wurde bei dieser Beispielrechnung der Verhandlungskommission noch nicht berücksichtigt.